Immobilienkredit-Richtlinie der EU: Mehr Beratung, weniger Kredite
Seit März wird in Deutschland eine neue Richtlinie der EU umgesetzt, nach der Personen, die einen Immobilienkredit aufnehmen wollen, eine erhöhte Bonität aufweisen müssen. Bauen, Kaufen oder Renovieren ohne gute Bonität, Sicherheiten oder Bürgen ist daher nicht mehr möglich. Hinzu kommt, dass die Immobilie, um die es bei dem Kredit geht, nicht mehr als Sicherheit für selbigen verwendet werden darf.
Vor allem die Sparkassen beklagen einen Rückgang der Kreditbewilligungen; bei einem Gespräch mit unterschiedlichen Banken, Verbänden und Ministerien wurden auch Fragen der Auslegung diskutiert – gerade im Hinblick auf ältere Kreditnehmer. Denn die Bank muss nun bei einem Immobilienkredit sicher gehen, dass der Kreditnehmer noch zu Lebzeiten alles abbezahlen kann.
Die Gesamtheit der Banken ist sich nicht eins
Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, so gab es am Dienstag, dem 6. September 2016, in Berlin ein Spitzengespräch von Ministeriumsvertretern, Verbraucherschützern und Bankenverbänden. Es ging um den Streit, den die neue EU-Richtlinie hierzulande zwischen den einzelnen Parteien ausgelöst hat. Dorothea Mohn, Finanzexpertin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (VZBV), sagte Reuters unter anderem: „Mein Eindruck ist, dass die Banken zum Teil dramatisieren.“, und: „In der Beratung bei uns zeigt sich nicht, dass Verbraucher mit guter Bonität jetzt weniger Kredite bekommen.“ – Auch die Privatbanken sehen keinen Grund zum Meckern; die Sparkassen weisen jedoch auf weniger Kreditvergaben hin.
Sparkassen: Vor allem Ältere bekommen keinen Immobilienkredit
Sowohl Sparkassen als auch einige Genossenschaftsbanken wägen anscheinend zu stark ab, ob sie Senioren und ähnlichen Kundengruppen noch einen Kredit geben. Denn nach der neuen Richtlinie, welche seit März 2016 in Deutschland Gesetz ist, müssen Kreditnehmer nicht nur eine ausreichende Bonität aufweisen, sondern den Kredit auch noch zu Lebzeiten abzahlen können. Ob nun aber die einen Banken zu vorsichtig vorgehen oder ob die anderen Banken zu risikofreudig Kredite an ältere Menschen vergeben, das geht aus den bisherigen Betrachtungen nicht hervor. Grundlagen für die Entscheidung zur Vergabe gibt es nicht, es handelt sich um Auslegungsfragen.
Ministerium will Fakten, Verbraucher sollen Sicherheit bekommen
Von Sparkassen und anderen Banken, welche die neuen Regelungen bemängelt haben, fordert das Justiz- und Verbraucherschutz-Ministerium nun Belege für den Rückgang der Kreditvergaben. Zudem versichert die Deutsche Kreditwirtschaft: „Die konstruktiven Gespräche werden fortgesetzt.“ – Das ist in den Augen der Verbraucherschützer und Banken auch nötig, da sie die Politik in der Pflicht sehen, „für Verbraucher und Kreditinstitute rasch und umfassend Rechtssicherheit zu erreichen“, so die Deutsche Kreditwirtschaft.
Mehr Beratung, mehr Bürokratie, mehr Nachweise
Kann ein Kreditnehmer seinen Kredit nicht mehr abbezahlen, dann bleibt die Bank zukünftig rein theoretisch gesehen auf den Kosten sitzen. Denn sie muss vor der Kreditvergabe feststellen, ob und dass der Kunde eine ausreichende sowie langfristige Bonität aufweist. Stellt sich durch Prüfung der Papiere bei Nichtzahlung heraus, dass der Kreditnehmer gar nicht langfristig zahlungsfähig war, dann liegt die Schuld für den Ausfall bei der Bank. Diese kann nur Ansprüche geltend machen, wenn zur Kreditvergabe alles nach einer guten und langfristigen Bonität aussah.
Im Umkehrschluss sowie zusammengefasst heißt das aber auch: mehr Bürokratie. Außerdem müssen die Kunden umfangreicher Beraten sowie auch befragt werden. Langfristige Finanzierungspläne gilt es zu erstellen und so weiter. Die Volksbank Sauerland meint der der Zeitung Der Westen gegenüber: „Die neue Gesetzgebung kommt einer Bevormundung von Kunde und Bank gleich. Die Formalitäten sind wesentlich umfangreicher in der Dokumentation und bei der Zurverfügungstellung der Vielzahl von Unterlagen geworden.“
Fazit zum Thema Immobilienkredit nach EU-Richtlinie
Wer über nicht genügend Bonität oder voraussichtlich nicht mehr genügend Lebensjahre verfügt, der muss in Zukunft um seinen Immobilienkredit bangen. Das trifft auch junge Familien, die bauen, renovieren oder kaufen wollen. Hinzu kommt, das aktuelle Zahlen der Sparkassen und Volksbanken bereits Ausfälle aufzeigen. Die Politik soll nun Streitfälle konkret klären und Auslegungsfragen geradlinig beantworten.